WORKSHOP: "Wie du im Job gesunde Grenzen setzt und kommunizierst"

Job 16 – Architektin

Jannike Stoehr

Job Nummer 16 beginnt bereits am Sonntagabend. Von Architektin Kristina und ihrem Mann Tom werde ich zum Abendessen in ihre brandneue Berliner Wohnung eingeladen. Nach einer japanisch angehauchten Vorspeise aus Gurken, Champignons und Sesam gibt es selbstgemachte Lasagne. Nicht nur das Essen hat hier Stil. Die Wohnung, die Einrichtung, die Frisuren und die Kleidung. Alle Einzelteile ergänzen sich wie in einem Mobile und sind wunderschön anzusehen. 
Aber mein Architekten-Ehepaar ist nicht nur stylisch, sondern auch sozial. In ihrer Freizeit planen Kristina und Tom ehrenamtlich einen Bildungs-Campus in Malawi. Auf diesem Campus soll einheimischen Kindern eine kostenlose Schulbildung sowie Erwachsenen eine Ausbildung oder der Start in die Selbstständigkeit ermöglicht werden. Finanziert wird das ganze über die Hilfsorganisation FACE e.V., die Freunde von ihnen vor einigen Jahren gegründet haben. Wer also noch ein Spendenziel sucht, bei dem das Geld auch ankommt, ist hier sicher gut aufgehoben.
Nicht weniger schick finde ich am Montagmorgen das Eller+Eller Architektur-Büro direkt am Checkpoint Charlie vor. Ich komme in ein riesiges Loft, von dem zwei Wände nahezu vollständig aus riesigen, weißen Rundbogenfenstern bestehen. Wahnsinn. Die dritte Wand gestaltet sich als Bücherregal mit Architektur-Literatur, während sich hinter der letzten die Küche, WC und Besprechungsräume verstecken. Überall hängen Pläne und Entwürfe, Modelle von Gebäuden stehen in den Regalen, Muster verschiedener Materialien liegen auf dem Fußboden.
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Kristina führt mich in das aktuelle Projekt ein. Neben ein paar Infos zu den Investoren und den vier verschiedenen Bauabschnitten, auf denen im Südwesten Berlins eine urbane Wohnsiedlung entsteht, erhalte ich einen ersten Einblick in die Arbeit von Architekten. Diese teilt sich in neun Leistungsphasen ein, nach denen die Kunden festgelegte Sätze zahlen. Heißt im Klartext: alle Architekten bekommen das gleiche Honorar, egal ob sie erfahren oder unerfahren sind, schlecht oder gut, bekannt oder unbekannt. In der Theorie zumindest. Denn unerfahrene Architekten werden die Aufträge für die großen und damit lukrativen Projekte eher nicht an Land ziehen können. Aber ich finde es trotzdem erstaunlich.
Am Dienstag bin ich auf dem Bau. Warme Socken solle ich mir mitnehmen und folge jeder dieser Empfehlung mit einem eigenen Paar. In meinen gelben Gummistiefeln trage ich also über meiner Strumpfhose zusätzlich noch vier Paar Socken. Kein Witz. Kalt wird mir nicht, warme Füße habe ich aber auch nicht. Mit einem Helm ausgestattet führt mich Bauleiter Paul über die Baustelle. In den verschiedenen Bauabschnitten habe ich die Gelegenheit sowohl fertige Gebäude, Rohbauten als auch Fundamente zu sehen.
Ich fühle mich ein bisschen wie in der Schule als ich von Paul lerne wie eine Fußbodenheizung aussieht, aus welchen Schichten sich der Boden zusammensetzt und meinen Wortschatz um ein paar neue Wörter erweitere. Zwei Wörter bleiben besonders hängen: Rigole und Eisenflechter. Neben Google und Paul, weiß nun auch ich, was sie bedeuten.
Viel einprägsamer als die tatsächliche Arbeit der Architekten (Grundrisse erstellen, Bauanträge stellen, Überwachung der Baustelle) ist für mich allerdings das Drumherum. „Der Ton auf der Baustelle ist rau“, erzählt mir Kristina, „und auch im Studium muss man Kritikfähigkeit erlernen.“ So wird auch die Baubesprechung, an der ich teilnehme, mit den Worten „Können wir uns heute bitte vertragen? Wir haben Besuch!“ eingeleitet. Ich erfahre hinterher, dass es eine der entspanntesten Baubesprechungen seit Jahren war. Auf mich wirkte sie im besten Falle neutral.
Als Architekt sollte man zudem ein echter Allrounder sein. Nicht nur planen und mit 3-D-Programmen sollte man umgehen können, nein – Ausbildungen zum Schlosser, Fliesenleger und Maurer würden auch nicht schaden, nicht zu schweigen von den Fertigkeiten und Kenntnissen eines Juristen. Ein Auge für Formen braucht man und darf dabei die Funktionalität nicht vernachlässigen. Entscheidungsfreudig sollte man sein, jede nicht getroffene Entscheidung kostet bares Geld. Die getroffenen manchmal aber auch. Kommunikation – ganz wichtig. Auf einem Bau treffen so viele unabhängige Parteien aufeinander, sich abzustimmen ist da das A und O. Schwache Nerven? Keine gute Eigenschaft für einen Architekten. Denn wo viele Menschen zusammenarbeiten, passieren unweigerlich auch mal Fehler.
Auf der Baustelle
Highlight meiner Woche ist die „Happy Hour“ am Freitag. Die Geschäftsführung lädt zu einer Urlaubsfoto-Session mit Wein und Antipasti ein. Jeder hat 5 Minuten Zeit, in denen er maximal 20 Bilder aus seinem Urlaub in 2014 zeigen kann. Ich lerne: Architekten reisen gern! Inklusive mir sind wir 10 und sehen Bilder von Gebäuden, Natur und Menschen aus New York, San Francisco, Hawaii, Tel Aviv, Teheran, Seoul, Tokio, Malawi, Miami, Kroatien und nahezu allen anderen Hotspots dieser Erde. Da auch ich diese Woche zum Team zähle, habe ich ebenfalls Fotos mitgebracht. Beim Auswählen meiner Top 20 fällt mir auf, dass Architektur auch in meinem Leben eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Auf mehr als der Hälfte meiner Fotos sind Häuser, Kirchen und Museen zu sehen. Mir wird bewusst, was für einen großen Einfluss Architektur auf das Leben hat und dass dieser Einfluss auch den Tod des Architekten überdauert. Wer sichtbare Erfolge braucht und etwas Bleibendes hinterlassen möchte, wird im Beruf des Architekten sicher nicht enttäuscht werden.
Ich werde wohl keine Architektin werden. Trotzdem bin ich total dankbar, dass ich eine Woche dabei und mitten drin sein durfte. Die Augen eines Architekten möchte ich gern haben. Die Welt sieht dadurch schon anders aus.
Vielen Dank an die liebste Kristina, Christiane, Hrn. Eller, Andrea, Jakob, Paul, Manfred, Lars und Katharina und Katrin für den Kontakt!
Und hier geht es zu meinem whatchado-Interview mit Kristina!

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