WORKSHOP: "Wie du im Job gesunde Grenzen setzt und kommunizierst"

Job 26 – Journalistin Print

Jannike Stoehr

„Lasst die Literaturfestspiele beginnen!“, ruft mir mein Couchsurfer am Frühstückstisch entgegen und grinst mich an. Im Hintergrund dudelt Hare Krishna Musik, die Kerze auf dem Tisch brennt. Meinen Job im morgendlichen Ritual kenne ich bereits und öffne das Buch mit den buddhistischen Kurzgeschichten auf der Seite, auf der ich es tags zuvor zugeklappt hatte. Ich beginne vorzulesen. Unsere heutige Geschichte handelt von einem Junior-Mönch, der die Senior-Mönche beneidet, bis er selbst Senior-Mönch wird und plötzlich lieber wieder ein Junior-Mönch wäre. Sinngemäß: Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner.
Kurze Zeit später stehe ich mit der elektrischen Zahnbürste im Mund vor dem Badezimmerspiegel. Mittlerweile schallt auf voller Lautstärke „The Crown and the Ring“ der Heavy Metal Band Manowar durch die Wohnung und lässt selbst den letzten Winkel nicht unbewohnt. Eine Orgel und ein vollmundiger Männerchor leiten den Refrain des Liedes ein, mein Couchsurfer singt mit. Mein Grinsen wird immer breiter.

Eine Woche in der GEO-Redaktion

Als ich die Zahnbürste wieder zur Seite stelle, ist es bereits 9.30 Uhr und mein letzter Tag in der Redaktion des GEO Magazins steht vor der Tür. Auf, auf in mein dieswöchiges Bücher- und Abenteuerparadies. So kommt es mir zumindest am Anfang der Woche vor, als ich unter den Redakteuren in der Themenbesprechung sitze und meine Augen kaum vom proppenvollen Bücherregal nehmen kann. Ich liebe Bücher.
„Um die Antimaterie kümmere ich mich, wenn ich mit dem Neandertaler fertig bin“, Redakteur Klaus schaut zustimmungssuchend in die Runde. „Was macht eigentlich die Geschichte über das Rafting auf Europas letztem Wildfluss in Albanien?“, fragt Jens, der stellvertretende Chefredakteur. „Ist da jetzt ein Fotograf ausgesucht, der sowohl Wildwasser-Action als auch tolle Landschaft kann?“ Kurz wird auch der Vorschlag diskutiert, eine Reportage über die umstrittene Adrenalin-Szene der Wingsuit-Springer zu machen. „Würde das vielleicht sogar jemand selber ausprobieren, an einer sicheren Stelle?“ Keiner.
„Aber es sieht so aus, als würde das Schnorcheln mit dem Riesenhai-Forscher in Irland klappen“, wirft Jörn ein, der gerade von einer Woche mit dem besten Vogelfänger Deutschlands zurück ist. (Ergebnis: 4 Nächte zu zweit im Auto im Wald, Uhu-Männchen aber leider weiter flüchtig, dafür gefühlte Tausend Anekdoten im Block). Ebenfalls zurück im Büro ist Diana. Zwei Wochen war sie gemeinsam mit einem Fotografen in Russland unterwegs. Ich will auch!

Vierzehn Tage Roadtrip durch Russland – beruflich!

Am Nachmittag stellt Diana die Fotos und den ersten Entwurf ihrer Russland-Geschichte vor. Vierzehn Tage war sie mit einem russischen Fotografen unterwegs zwischen Moskau und Sewastopol, der größten Stadt der Halbinsel Krim. Für einen Roadtrip bezahlt werden, nicht schlecht. Aber an Urlaub erinnert der Roadtrip nicht, schaut man sich Dianas Zeitplan an: Zwanzig Termine an vierzehn Reisetagen, von denen viele unterwegs geplant und organisiert werden mussten. Auf DinA3 Blättern liegt die Geschichte in einem Muster-Layout auf dem Boden. Diana, die leitenden Redakteure sowie die Bildredakteure diskutieren die Möglichkeiten der Story, die ersten Layout-Entwürfe und überlegen, welche Fotos am aussagekräftigsten sind.
Später in der Woche, als ich mir bei Jürgen eine Recherche-Aufgabe abhole, kommen wir auf das Weltall zu sprechen. Der Roman „Der Marsianer“ liegt auf Jürgens Schreibtisch und auch das Bücherregal hinter ihm ist voll mit Literatur zu diesem Thema. Faszinierend eigentlich, dass wir mit dem Blick in den Sternenhimmel gleichzeitig auch in die Vergangenheit schauen, fällt mir während des Gespräches wieder auf. Vom Weltall kommen wir auf archäologische Ausgrabungen zu sprechen und von archäologischen Ausgraben auf Kleopatra. Am liebsten würde ich gleich alles genauer wissen und bekomme sowieso meinen Hals gar nicht voll genug. Großartig, wenn man für seine Neugier auch noch bezahlt wird, oder?“, fragt mich Jürgen und lacht. Ich will auch!

Der Druck einer perfekten Geschichte

Für Jürgen mache ich mich auf die Suche nach Ansprechpartnern und Informationen für eines seiner Themen, für mich selbst auf die Suche nach dem Haken an diesem Job. Ich frage Jörn, den ich am meisten um seine Abenteuer beneide. „Na klar ist es großartig, diesen ganzen Menschen zu begegnen, die für ihre Sache so brennen, egal wie speziell sie auch ist. Aber wenn du vier erfolglose Nächte mit einem Vogelfänger in dessen Auto im Bayrischen Wald verbringst, dann wirst du nervös. Du musst schließlich mit einer Top-Geschichte zurückkommen. Und was meinst du, wie viel wir recherchieren, das nie gedruckt wird. Von den vielen Meetings mal ganz abgesehen“, holt mich Jörn wieder ein wenig zurück auf den Teppich. Trotzdem.
die ultimative GEO Wand, da stehen sie alle...
Einen kleinen Eindruck der vielen Meetings bekomme ich in dieser Woche auch. In welcher Intensität man zum Beispiel über die Auswahl und Anordnung von Fotos sprechen kann, erstaunt mich. Für eine Reportage über behelfsmäßige Ölraffinerien in Syrien schieben wir die Fotos so immer wieder an andere Stellen, tauschen das Eröffnungsfoto der Strecke aus, wechseln wieder die Reihenfolge oder ersetzen gleich mehrere Fotos ganz. „Wie wäre es, wenn der Mann das Schaf wird?“, fragt Sabine und meint damit den Tausch von einem Foto mit rußgeschwärzten Schafen darauf gegen das Portrait eines Mannes. Das wäre eine Idee. Zum Ende des Meetings erzählen die Fotos parallel zum Text ihre eigene kleine Geschichte und machen den Beitrag rund. Stimmigkeit kommt also nicht von ungefähr.

Print ist anderes als online

Im Rückblick auf mein Praktikum in der Online-Redaktion der myself finde ich hier eine ganz andere Welt vor. Die Arbeit in einer Online-Redaktion lässt sich nämlich nur schwer mit der im Print-Bereich vergleichen. Die Themen und die Art des Magazins tun ihr übriges. Der gemeinsame Nenner ist die Liebe für die geschriebene Sprache. Und die teile ich. Umso mehr freue ich mich darüber, nach Abschluss meines 30. Jobs zumindest vorübergehend mein Brot mit dieser Leidenschaft verdienen zu können, denn etwas Großartiges hat sich ergeben: Es wird ein Buch geben zu meinen 30 Jobs! So richtig, im Buchladen. Und für die Zeit nach Abgabe des Buches habe ich auch schon allerhand Ideen – aber erst einmal abwarten, was in Job 27 bis 30 noch alles passiert!
Als ich mir das wieder vor Augen halte, fühle ich mich ein bisschen wie der junge Mönch, der mit Blick auf die Senior-Mönche kurzzeitig vergisst, wie glücklich und zufrieden er sein kann, genau dort, wo er ist.
Vielen Dank in dieser Woche an Jens, Christoph, Fred, Jörn, alle drei Jürgens der Redaktion, Diana und alle anderen Kollegen, sowie an Marcus und Christoph und an meinen Couchsurfer!

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