WORKSHOP: "Wie du im Job gesunde Grenzen setzt und kommunizierst"

Job 1: Erzieherin

Jannike Stoehr

Mein erster Job! Die letzte Woche habe ich also tatsächlich in einer KiTa in Lehrte verbracht. Vor lauter Aufregung mache ich die Nacht vor meinem ersten Tag kaum ein Auge zu, obwohl das Bett bei meiner großartigen und gastfreundlichen Couchsurferin mehr als bequem ist. Um 6.20 Uhr am Montagmorgen geht es los. Erst mit dem Fahrrad zum Bahnhof, dann mit dem Zug nach Lehrte und anschließend zu Fuß zur KiTa. An dieser Stelle ein Hoch auf mobiles Internet, dass mich pünktlich zum Ziel navigiert!
Ich bin hochmotiviert und freue mich riesig. Bis zur Eingangstür. Die stellt sich als mein erstes größeres Hindernis heraus, gleich gefolgt von dem Kindergitter vor der Treppe. Beides bin ich nicht in der Lage ohne fremde Hilfe zu überwinden und so denke ich zumindest einen kurzen Moment, dass ich gut daran täte, nach Hause zu fahren und mich wieder an meinen Computer zu setzen. Das kann ich nämlich.
Glücklicherweise nimmt mich eine Mutter an die Hand. Kurze Zeit später finde ich mich im Gruppenraum meiner zugewiesenen Sonnenblumengruppe wieder. Ruckzuck rennen elf schreiende Kinder im Alter von eins bis drei quer durch den Raum und wieder zurück. Die Gruppenleiterin ist krank, also übernimmt Frau Swierczek, die KiTa-Leiterin, die Betreuung. Neben mir ist noch Praktikantin Nina dabei. Sie ist in der Ausbildung zur Sozialassistentin und ist schon seit fast einem Jahr blockweise in der KiTa.
Es ist laut und schnell gibt es die erste Schreierei. Julia* hat geschubst! Was nun? Ich bin ratlos. Soll ich das schubsende Kind zurechtweisen, das heulende in den Arm nehmen? Leons Nase läuft wie nichts Gutes. Die Schnötte hat er sich mit einer gekonnten Handbewegung bis zur Schläfe gewischt. Muss ich ihm jetzt die Nase putzen?
Es geht nach draußen, ein Highlight im täglich gleich strukturierten Krippen-Alltag. „Oh, schauen Sie Jannike, Sophie hat eine Schnecke gefunden. Passen Sie bitte auf, dass die Schnecke nicht in der Hosentasche landet?“ Na klar, meine Aufmerksamkeit gilt ab jetzt zusätzlich der Schnecke. Die zwei im Garten befindlichen Pfützen habe ich unterschätzt. Sie reichen aus, um nach einer Stunde elf von Kopf bis Fuß dreckige und matschige Kinder sauber machen zu können. Schön!
Nach anfänglichen Berührungsängsten auf beiden Seiten läuft es gegen Mittag recht rund. Okay, ein Drittel des Mittagsessen landet unter meiner Betreuung unter dem Tisch, aber Verluste gibt es doch überall oder? Paul greift mit der Hand in den Kartoffelbrei und streckt sie mir grinsend entgegen in Richtung Mund. „Da!“ Ich bin eher nicht hungrig, nehme das Geschenk aber zumindest per Hand in Empfang. Ich möchte nicht unhöflich sein.
Nach dem Mittag wird geschlafen. Alle Kinder gehen in den Schlafraum. Die Betreuer helfen mit Kraulen beim Einschlafen. Gefährliche Situation für mich! Etliche meiner bisherigen Meditationsversuche sind daran gescheitert, dass mich die Müdigkeit übermannte. So auch in dieser Woche. In drei von vier Mittagspausen schlafen 11 Kinder – plus Jannike. Das ist aber auch anstrengend hier, kein Wunder, dass ich erschöpft bin. Einen unkonzentrierten Augenblick kann man sich kaum leisten. Jetzt aber schnell in die Pause! Bis der erste wieder aufwacht, dauert es nicht lang.
Frau Swierczek erzählt mir etwas über die Arbeit in der KiTa. Nach Emmi Pikler arbeiten sie hier und nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell. Logisch, auch hier gibt es Konzepte. Als ich vorher an KiTa gedacht habe, habe ich immer nur an Spielzeuge und Sandkasten gedacht. Aber es ist doch viel mehr. Einen Vortrag bereitet Frau Swierczek gerade für einen Gottesdienst vor. „Was verstehen wir unter Familie?“ Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Die Mitarbeiter der Markus-KiTa verstehen sich selbst als Teil der Familie des Kindes. In erster Linie geht es dabei um Beziehungsaufbau, nicht um das Ersetzen von Mama und Papa. Es geht um ein Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Erzieherin, in dem alle Probleme gelöst werden können, ohne dass es vieler Tränen bedarf.
Das stelle ich sowieso fest. In den Arm nehmen hilft. Immer. Die ersten erfolgreich getrockneten Tränen machen mich schon ein wenig stolz. Die ersten ausgestreckten Arme auch.
Mit den Tagen finde ich mich besser zurecht. „Jannike, Sie werden ja immer freier!“, ruft mir Frau Swierczek zu, die gerade den Raum betritt. Ich finde mich – ein wenig über mich selbst erschrocken – auf allen vieren krabbelnd und bellend auf dem Fußboden wieder, Nathalie steht kichernd vor mir.
Nach Feierabend bin ich ganz schön geschafft. Mir tut alles weh und dreckig bin ich auch. Meine Klamotten sind vollgespuckt, vollgeschnöttet und einen Tag vollgepinkelt. Aber halb so wild.
Und so habe ich diese Woche vier Tage gespielt, Tränen getrocknet, habe Rotznasen geputzt, Bücher vorgelesen, getobt, Kinder gefüttert und sie anschließend in den Schlaf gekrault. Was für ein schöner Start in mein 30-Job-Jahr! Anstrengend – aber auch sehr schön. Ich verstehe, warum dieser Beruf ein Traumjob sein kann. Man bekommt viel zurück. Und wie beschreibt Frau Swierczek ihren Traumjob in drei Stichworten? Mit Ehrlichkeit – Wertschätzung und Beziehungsarbeit. Wenn das nichts ist.
Für mich geht es Anfang August weiter. 29 Jobs stehen noch aus. Meinen Traumjob habe ich in Job Nummer 1 noch nicht gefunden. Zweifelsfrei hat mir die Arbeit Freude gemacht. Langfristig schätze ich mich als nicht geduldig genug ein und zu kopflastig. Aber wer weiß, wie das am Ende meines Jahres aussehen wird. Vielen Dank an Frau Swierczek, an Lisa, Franzi und Susanne! *Namen der Kinder von der Redaktion geändert.

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