Ich habe keine Ahnung, wo ich diese Woche anfangen soll zu erzählen. Ich versuche es einmal hier: am Montag treffe ich in Berlin Neukölln auf Arik Meyer und Jose Albornoz, die sich in der Gründungsphase ihres Startups SwitchUp befinden und beide längere Haare haben als ich. Das erinnert mich an einen Moment vor ungefähr zwei Wochen, als die Familienaufstellerin von ihrem Nachbarn gefragt wurde, ob ich ihr Neffe sei. Neffe! Ich bin nachhaltig irritiert, dafür mittlerweile aber stolze Besitzerin zweier Lippenstifte und eines neuen Kleides.
Diese Woche bin ich also Startup-Gründerin oder vielmehr Unternehmerin. Klingt cool, oder? Als Startup-Gründerin in Berlin sollte man folgendes mitbringen: eine gute Idee, unternehmerisches Denken, Englisch-Kenntnisse, einen Wohnzimmertisch und ein Apple-Notebook. Und einen guten Programmierer sollte man an der Hand haben – könnte man als Co-Founder einsetzen. Auf jeden Fall ist der unverzichtbar. Bei SwitchUp ist Arik zuständig für die unternehmerischen Aspekte und Chilene Jose für das Programmieren.
Jose ist zarte 21 und unverschämt gut, in dem was er tut. Mit 18 Jahren kam er bereits als Programmierer nach Deutschland. „Learning by Doing“ ist sein Motto. Studiert hat er nie. Mittlerweile gibt er Kurse an Hochschulen, wurde zu einer Programmier-Konferenz in Barcelona eingeladen, um einen Vortrag darüber zu halten, wie er sein eigenes Gameboy-Spiel programmiert hat und erstellt sich seine Apps auf dem Handy selbst. „You know, Jannike, sleep is more important to me than food. But too much sleep isn´t good as well. That´s why I created an app which calculates my perfect sleep-cycle“, erzählt mir Jose am ersten Tag. Ach ja, Jose spricht nicht viel Deutsch, deswegen laufen weite Teile dieser Woche auf Englisch ab. Jose, auch Jojo genannt (sprich: Chocho), zeigt mir womit er seine Arbeitszeit verbringt und springt auf seinem Bildschirm dabei von einem Fenster zum anderen, tippt Programmiercodes verschiedener Programmiersprachen ein und demonstriert mir, was dann passiert. Zum Einstieg in die Programmiersprache Ruby empfiehlt er mir das Spiel Ruby Warrior. Wenn ich mir meine eigene App erstellen möchte, könnte ich auch gern zu seinem „Wie erstelle ich mir meine eigene App“-Kurs für Mädchen am Samstag kommen.
Unternehmer Arik weiß, was er tut. Vor ein paar Jahren hat er bereits erfolgreich audible.de gegründet. Sehr erfolgreich könnte man auch sagen. Aber Arik weiß nicht nur, was er tut, sondern auch was er will. SwitchUp hat er beispielsweise gegründet, um in einem Unternehmen zu arbeiten, das nicht nur ganz bestimmte Werte vertritt, sondern auch echten Nutzen stiftet. Seine Gedanken und Vorstellungen finde ich gut. Als Dienstleistung bietet SwitchUp an, den jeweils passendsten und sichersten Stromtarif für jeden zu finden, den Wechsel abzuwickeln und auch nach dem Wechsel die Stromtarife im Auge zu behalten. Finanziert wird das ganze durch Wechsel-Provisionen der Stromanbieter.
Während mich der Informations-Overload am ersten Tag verzweifeln lässt, gibt es die Themen in Tag 2-5 häppchenweise. Danke, Arik! Gemeinsam schaffen wir sogar etwas. Am Ende der Woche sind die SwitchUp Unternehmenswerte sowie die FAQs online. Ich glaube, wir beide sind ein wenig stolz.
Was mich nicht überrascht, sich aber in der Realität etwas anders anfühlt, ist die Tatsache, dass ein Jungunternehmer in der Regel alles selbst macht. Für Jose, Arik und mich bedeutet das in dieser Woche zu lernen, wie man ein Video vor einer „weißen“ Wand mit gutem Sound macht. Klingt einfach, ist es aber nicht. Ariks Wohnzimmer verwandelt sich Schritt für Schritt in ein Filmstudio. Nach der 287. Variante der Licht- und Sound-Einstellung der Kamera bin ich froh, dass ich keinen aktiven Anteil an der Aufgabe habe und gucke lieber was am Computer.
Am Mittwoch-Abend geht es für uns ins Betahaus, wo sich das Who-is-Who der Berliner Startup-Szene trifft. Wir trinken „Club Mate“ und lauschen Vorträgen zu Online-Marketing, auf Englisch versteht sich. Das anschließende Netzwerken fällt für uns aus, ich bin müde und muss ins Bett. Das gilt übrigens die ganze Woche für mich. Ich bin ganz schön platt. Ob es an meiner abklingenden Erkältung von vergangener Woche liegt, am kurzen zeitlichen Abstand zwischen den beiden Jobs oder an dem Job selbst, kann ich nicht sagen.
Aber schon sagen kann ich, dass mir die Art zu arbeiten gefällt. Selbstständig, frei und flexibel zu sein, kreativ zu denken, wechselnden Herausforderungen gegenüberzustehen und die eigenen Werte einbringen zu können, hat schon was. Geld und Unsicherheit können ein Problem sein. Zumindest, wenn man von dem einen zu wenig und von dem anderen zu viel hat. Davon abgesehen fehlen mir aber ja sowieso noch zwei entscheidende Dinge: die gute Idee und der Wohnzimmertisch.
Danke Arik und gracias Jose! Danke an meine Tante Conni und meinen Onkel Lars, dass mir eure Tür in Berlin immer offen steht.
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