Melde dich hier zu meinem kostenfreien Online-Seminar am 13.01.25 an

Job 13 – Heilerziehungspflegerin

Jannike Stoehr

„Boah, scheiße! Mein Getränk kostet 11 Euro, das ist viel zu teuer!“, Mark* starrt enttäuscht auf Fach Nummer 11 des Süßigkeiten- und Getränkeautomaten im Hallenbad. Er ist eines von vielen Kindern mit Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen der Tagesbildungsstätte, die ich in dieser Woche kennenlerne. Es ist Montagmorgen und gleich geht es rein in das Bad zum Schwimmunterricht. Vor dem angekündigten Schwimmunterricht graut es mir. Ich besitze keinen Badeanzug und im Bikini komme ich mir nackt vor. Und was ist, wenn ich angefasst werde? Meine Befürchtungen erweisen sich als unberechtigt. Ich bin erleichtert und frage mich, woher sie überhaupt gekommen sind. Dafür gibt es aber ein anderes Problem. Beim Schwimmen soll ich mich nämlich um Linda kümmern. Linda ist 19, Autistin und in ihrer geistigen Entwicklung auf dem Niveau eines Kleinkindes. An Körpergröße und –gewicht fehlt es ihr nicht, gefühlt ist sie doppelt so groß und doppelt so schwer wie ich. Aber das meinte ich nicht, als ich von Problem sprach.
„B-b-b-b-bist du tätowiert?“, fragt mich Linda, als sie kurz vorher in der Schule erfährt, dass ich sie zum Schwimmen begleiten werde. Bin ich tatsächlich ein wenig. Ich beantworte ihr ehrlich ihre Frage und bin damit prompt für sie als Schwimmbegleitung gestorben. „Tattoos findet sie asozial“, erklärt mir mein Cousin Hergen, dem ich über seine leidenschaftliche Heilerziehungspfleger-Schulter schauen darf. „Und hättest du jetzt noch eine Bild-Zeitung dabei und ein Haargummi in den Haaren, dann wäre es endgültig vorbei.“ Okay, Haargummi fällt ohnehin weg, eine Bild-Zeitung habe ich zum Glück heute Morgen auch nicht eingepackt, aber an der Tätowierung kann ich jetzt erst einmal nichts ändern. Andere Kinder sind offener und so ergattere ich dann doch noch meine erste Aufgabe im Nichtschwimmerbecken.

Zurück in der Schule folgen Aufgabe zwei und drei. Mit Henning, einem 15-Jährigen mit Down-Syndrom, soll ich am Computer Mathe-Aufgaben lösen und mit Linda Sterne für den Julklapp-Sack aus goldener Alu-Folie ausschneiden. Beide Aufgaben enden für mich katastrophal. Henning verschanzt sich nach Mathe im Ruheraum und tritt gegen die Stühle bis Hergen ihn wieder beruhigt hat. Und Linda? Sie hält sich die Augen zu und ist nicht zum Mitmachen zu bewegen. Keine Chance. Abends auf der Couch bin ich enttäuscht und gefrustet. Das hatte ich mir irgendwie leichter vorgestellt.
Der zweite Tag läuft schon besser. Das Mathe-Problem vom Vortag lässt sich schnell aus der Welt schaffen und beim gemeinsamen Einkaufen kann ich zumindest dem körperlich und geistig behinderten Paul Geleitschutz geben. Und eine erste Umarmung bekomme ich auch. Und zwar von Anna. Für Außenstehende mag es ausgesehen haben, als ob sie mich in den Schwitzkasten genommen hätte (ich sitze am Tisch, Anna legt von hinten den Arm um meinen Hals und zieht mich zu sich), aber es fühlt sich ausnahmslos liebevoll an. Gar nicht so schlimm, wie ich mir den Körperkontakt vorgestellt hatte.
Dennoch merke ich, wie schwierig es diese Woche für mich werden wird, ein Gefühl für den Job zu bekommen. Also frage ich meine Kollegen aus und erfahre einiges. Zum Beispiel, dass die Arbeit mit Kindern mit Behinderung hauptsächlich über Beziehungen funktioniert. Hier fällt mir sofort meine Woche im Kindergarten wieder ein, in der auch die Beziehungsarbeit im Mittelpunkt stand. Während die Kinder in meiner Kindergarten-Woche zwischen 1 und 3 Jahre alt waren, sind die Kinder hier zwar auf dem Papier zwischen 13 und 19 Jahre alt, geistig sind die meisten von ihnen aber nicht weiter als meine KiTa-Kinder. Passt also. Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt: für den Job als Heilerziehungspfleger mit sonderpädagogischem Schwerpunkt braucht man ebenfalls Geduld. Geduld und Genügsamkeit. Dafür, dass der Lernerfolg nicht unbedingt im Lesen oder Rechnen liegt, sondern darin in kritischen Situationen auf erlernte Verhaltensstrategien zurückgreifen zu können. Oder dass ein Kind nach einem Jahr gelernt hat, wie man auf Toilette geht, ein anderes hingegen selber zu trinken. Wusstet ihr eigentlich, dass Pablo Pineda der erste Europäer mit Down-Syndrom war, der einen Universitätsabschluss erworben hat? Er arbeitet heute an einer spanischen Schule für pädagogische Psychologie. Das nur als Beispiel, was alles möglich ist, wenn die richtige Förderung da ist. Nicht bei jedem, aber bei manchen.
Darüber hinaus braucht es Empathie, Akzeptanz für Andersartigkeit und Gelassenheit. Ein Schlüssel für eine größtmögliche Förderung liegt im Erkennen der Antriebe, die sich in Motivation umwandeln lassen. Die persönliche Situation der Kinder muss berücksichtigt werden und es hilft, bei Verhaltensweisen nach dem Warum zu fragen. „Man muss die Kinder sehen, nicht nur die Behinderung. Das hilft beim Verstehen“, erklärt mir Hergen. Unterm Strich ist es auch das, was ich diese Woche lerne: Jeder ist anders und das ist auch gut so.
Und so bekomme ich vielleicht in dieser Woche nicht zu jedem Kind einen Draht, aber das ist okay. Dafür bastele ich beispielsweise mit Tommy (Down-Syndrom, kann nicht sprechen, ist aber begnadeter Schauspieler in Mimik und Gestik) erfolgreich einige Pfeile. Aus Sperrholz haben wir die ausgesägt, gefeilt und Magnete hinten darauf geklebt. Jetzt können wir sie an der Tafel nutzen und sie beispielsweise auf Wochentage zeigen lassen.
Muss noch üben
Unsere Pfeile
 
 
 
 
 
Nach dem ersten Rückschlag vergeht die Zeit viel zu schnell und so zeigt unser Holzpfeil schon wieder auf Freitag. Während meiner Recherche zu dem Job in dieser Woche stieß ich auf das Zitat von Pablo Pineda: „Für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen.“ [1]. Ja, mit Unsicherheit bin ich hierher gekommen und mit Zuneigung gehe ich wieder.
Als Beruf kann ich mir die Arbeit mit behinderten Menschen nicht vorstellen. Dafür bringe ich einfach viele der Dinge nicht mit, die man dafür braucht. Die Tätigkeit in der Tagesbildungsstätte entspricht allerdings nicht der typischen Arbeit eines Heilerziehungspflegers, der sich in der Regel stärker um das körperliche Wohl als um die geistige Entwicklung kümmert. Mit einer Zusatzausbildung kann man aber auch Klassenleiter einer Tagesbildungsstätte werden. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die sich für das Wohl der Schwächsten in unserer Gesellschaft einsetzen und kann jedem, der über ein freiwilliges soziales Jahr in diesem Bereich nachdenkt, nur dazu raten. Es war eine tolle Woche, die mir den Spiegel vorgehalten hat.
Danke Hergen, Olga, Corinna, Hendrik und den Kiddies! Und danke Wiebke für die Couch!
*Namen der Kinder von der Redaktion geändert
 

Schließe dich der Community von über 4.000 Menschen an, die meinen Newsletter erhalten!​

Bekomme jeden Montag eine Fragestellung von mir, die dir hilft, dich kennenzulernen und dich beruflich neu auszurichten. 

Lesezeit: 3 Minuten.

Und natürlich kostenfrei.

Abmeldung jederzeit möglich. Details zum Newsletterversand findest du in der Datenschutzerklärung.

Hallo, ich bin Lars...

In meinem ersten Beruf als Sozialarbeiter habe ich mit Kindern, Jugendlichen und Menschen im Autismus-Spektrum gearbeitet. Dabei war ich so stark darauf fokussiert, die Erwartungen anderer zu erfüllen, dass ich meine eigenen Bedürfnisse völlig vernachlässigte. Mit der Zeit führte das zu Erschöpfung und Unzufriedenheit. Ein intensives Berufscoaching brachte schließlich die Wende: Ich fand den Mut, meinen eigenen Weg zu gehen und neue Möglichkeiten zu entdecken.

Heute arbeite ich selbstbestimmt und kreativ in einem Jobportfolio als Tonmeister und begleite Menschen als Coach dabei, ihre berufliche Identität neu zu gestalten und ihren individuellen Weg zur Erfüllung zu finden.

Meine fachliche Expertise:

  • Zertifizierter systemischer Coach
  • Studium der Sozialen Arbeit und Tontechnik
  • Umfangreiche Erfahrung in der prozessorientierten sozialen Arbeit
  • Branchenkenntnisse: Sozial- und Kreativwirtschaft 

Hallo, ich bin Julia...

Jahrelang arbeitete ich als BWLerin in einem vermeintlich erfolgreichen Job – doch innerlich fühlte ich mich leer und erschöpft. Jeden Morgen war ein Kampf, weil ich den Erwartungen meines Umfelds folgte und meinen eigenen Weg aus den Augen verloren hatte. Erst der ungeplante Freiraum während der Coronapandemie brachte die Wende. Nach intensiver Reflexion kündigte ich meinen Job und begann, mein Leben und meine Karriere neu zu gestalten.

Heute arbeite ich in einem Jobportfolio, das mir Abwechslung, Flexibilität und Erfüllung bietet. Als Co-Coach für berufliche Erfüllung helfe ich anderen Menschen, ihr Potenzial zu entdecken und in einem sinnstiftenden Beruf einzusetzen. Für mehr Freude und Sinn im Arbeitsleben!

Meine fachliche Expertise:

  • Zertifizierte systemische Coach
  • Life Design Coach
  • Studium der Betriebswirtschaftslehre und Psychologie
  • Branchenkenntnisse: Automobilindustrie, Consulting, NPOs, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung
  • Fundierte Arbeitsmarktkenntnisse in Deutschland und der Schweiz

Hallo, ich bin Jannike...

… und ich kenne das Gefühl, beruflich festzustecken. 2014 stand ich in einer Konzernkarriere als Personalerin – von außen schien alles perfekt, aber innerlich war ich unglücklich. Ein Todesfall in der Familie brachte die Wende: Ich nahm meinen Mut zusammen, stieg aus und startete ein Experiment. In einem Jahr testete ich 30 verschiedene Berufe, begleitete Menschen, die Erfüllung im Job gefunden hatten, und lernte dabei nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch mich selbst ganz neu kennen.

Heute bin ich beruflich angekommen. Als Coach, Podcasterin, Unternehmerin und Autorin lebe ich meine vielfältigen Interessen und habe bereits mehr als 250 Menschen auf ihrem Weg zur beruflichen Erfüllung begleitet.

Meine fachliche Expertise:

  • zertifizierte systemische Coach
  • Studium der Wirtschaftswissenschaften, Schwerpunkt Personal & Organisation
  • Mehrjährige Erfahrung als Personalerin im In- und Ausland
  • Spiegel-Bestseller-Autorin: „Ich bin so frei – Raus aus dem Hamsterrad, rein in den richtigen Job“

Abonniere meinen Newsletter

Melde dich zu meinem Newsletter an und bekomme jeden Montag Impulse für deine erfüllte Karriere.

Abmeldung jederzeit möglich. Details zum Newsletterversand findest du in der Datenschutzerklärung.

Gratis E-Mail-Kurs

"Finde heraus, wie du wirklich arbeiten willst"

Melde dich für meinen Newsletter an und erhalte meinen E-Mail-Kurs als Dankeschön.

Abmeldung jederzeit möglich. Details zum Newsletterversand findest du in der Datenschutzerklärung.