„Home is where your heart is“ oder auch „where your wifi connects automatically“. Beides trifft für mich irgendwie auf das WHATCHADO Office in Wien zu.
Zu whatchado brachte mich der Zufall. Der Zufall wird ohnehin mit der Zeit zu einem immer besseren Freund. In diesem Fall war es die Frau eines whatchado-Mitarbeiters in Deutschland, die einen Zeitungsartikel über mein Projekt las und den Kontakt herstellte. Aus der anfänglichen Interview-Anfrage wurde schnell ein Praktikumsangebot. Und da bin ich, in einem österreichischen Büro voller schöner X-Men und Avengers. Jedes Haar sitzt. So wie bei Stefan zum Beispiel. Aber dazu später.
Im Rahmen meines Projekts bin ich das erste Mal im Ausland. Schillinge und Reisestecker hab ich im Gepäck, Songs von Falco in meiner Playlist. Erstmals bin ich ohne mobiles Internet unterwegs. Zur Orientierung muss ich meinen Kopf und einen Stadtplan benutzen. Dass mir mein Vater als Kind Kartenlesen beigebracht hat, zahlt sich diese Woche aus. Im whatchado-Büro verbindet sich mein Handy automatisch mit dem Internet und meine Mails und Whatsapp-Nachrichten kommen endlich wieder an. Immerhin ist es bald 12 Stunden her, dass ich das letzte Mal online war. Undenkbar.
Aber im vierten Wiener Bezirk finde ich nicht nur mein Internet, sondern auch mein Herz wieder. Zumindest meine Herzensangelegenheit. Die mittlerweile 35 whatchadoer beschäftigen sich nämlich ebenfalls mit dem Finden der Berufung. Aber nicht für sich selbst, sondern als Hilfestellung für andere. Ihre eigene Berufung haben sie nämlich bereits gefunden, auch wenn der Weg dorthin teilweise sehr lang war. So zum Beispiel der von Ali Mahlodji, einer der Gründer von whatchado. Als Kind aus dem Iran nach Österreich geflohen, arbeitete er sage und schreibe in 42 verschiedenen Berufen, ehe er (er)fand, wofür sein Herz schlägt: eine Dating-Seite für Jobs und Lebensentwürfe. Mittels eines Matchings werden die Antworten auf 14 verschiedene Fragen der Website-Besucher mit den Antworten der Interview-Geber abgeglichen. Ausgeworfen werden die Lebenswege von Menschen, die ähnlich denken, wie man selbst. Dabei ist der Anspruch nicht, dass jeder der vorgeschlagenen Berufe für jeden ein Traumjob sein muss, sondern dass die Lebenswege und –entwürfe bei der Orientierung helfen und man sehen kann, wie andere Menschen mit ähnlichen Interessen und Vorstellungen ihr Leben gestaltet haben.
Mein Job diese Woche: Videoproduzentin! Ich drehe und schneide gemeinsam mit Manuel, Co-Founder, direkt am ersten Tag den Video-Newsletter, die whatchaNEWS. Weitere Drehs und Schnitte folgen. „Whoop whoop“ ist Eminas Kommentar dazu auf Facebook. Sie ist die Social-Media-Verantwortliche. Am Dienstag begleite ich Sophie und Raphaela zu einer Interview-Session mit vier Mitarbeitern der Austrian Development Agency, vergleichbar mit der GIZ in Deutschland. Nachdem wir alle Interviews im Kasten haben, ist mein persönlicher Akku alle. Auf die Kamera zu achten, Fragen zu stellen und sich dann ganz auf die Antworten zu konzentrieren, ist auf die Dauer ganz schön anstrengend. Im Schnitt höre ich mir immer und immer wieder die gleichen Sequenzen an und kann zuletzt fast mitsprechen. Ich möchte, dass das Video in seiner Kürze alle Informationen enthält und, dass es so gut wie möglich wird. Ich lege Audio und Video-Spur übereinander, kürze, verschiebe, setze Keyframes und bin froh, dass Sophie da ist und mir mit Engelsgeduld das Schnitt-Programm erklärt.
Es geht mir wie allen anderen. Ich finde das Produkt einfach geil und daher macht die Arbeit Spaß, ob das jetzt schneiden, drehen oder interviewen ist. Das Arbeitsklima und das Team tun ihr übriges. Apropos drehen und interviewen. Von Manuel bekomme ich eine Schulung zu Video- und Interview-Technik, denn es gibt Neuigkeiten: Ich werde whatchado-Ambassador! Im Rahmen meines Projektes werde ich alle Menschen, die ich in ihren Jobs begleite, für whatchado interviewen (wenn sie denn möchten).
Von und über whatchado lerne ich in dieser Woche: Das Ego kommt hier immer zuletzt, denn Bescheidenheit ist eine Zier. Kambis, Co-Founder zeigt gleichzeitig auf das Avenger-Poster auf der Wand und gibt mir zu verstehen, dass er ganz klar der Iron-Man seines Teams sei. Am Ende meiner Woche fragt Kambis, auch K-Man genannt, mich etwas irritiert, warum ich überhaupt keine Fotos von ihm gemacht habe. Guter Punkt, ich bekomme allerdings auf der Weihnachtsfeier Gelegenheit mein Versäumnis nachzuholen. Neben Iron-Man gibt es bei whatchado natürlich auch noch einen Thor, Hulk, Captain America, Wolverine und wie sie alle heißen. Wir sind uns einig, als Mystique passe ich hier gut rein.
Von Ali lerne ich „Hartnäckigkeit zahlt sich aus“. Auf die Frage, wie er den österreichischen Bundespräsidenten vor die Kamera bekommen hat, ist seine Antwort: „Ich habe ihm jede Woche mehrere Mails geschickt, gefragt, wie es ihm geht und ob er uns ein Interview geben wird. Nach zwei Jahren und hunderten Mails, hat er ja gesagt.“
Kambis, Behnoud und Stefan zeigen mir am Ende der Woche die Stadt und ich lerne Wien als Stadt der Superlative kennen. Hier gibt es den größten Dom der Welt, die schönste und teuerste Einkaufsstraße der Welt, das beste persische Restaurant der Welt und das schönste Rathaus. Und wusstet ihr, dass die Perser den Buchdruck und das Automobil erfunden haben?
whatchado hat schon was. Nicht nur, dass es einen Chief Happiness Beauftragten gibt, der sich um Freizeitaktivitäten und den Zusammenhalt kümmert, nein, nach drei Monaten gehen die Chefs mit ihren Mitarbeitern auch weiße Turnschuhe kaufen. Denn was der Chef trägt, kann für die Mitarbeiter nicht verkehrt sein. Im letzten Jahr wurden alle Mitarbeiter auf Firmenkosten neun Tage nach Thailand eingeladen, Dschungel-Party auf Ko Pha-ngan inklusive. Bedingungen dafür waren lediglich, entweder alle oder keiner und kein Kunde darf merken, dass kein whatchadoer in Österreich ist. Der Lerneffekt dabei: man kann von überall arbeiten, alles eine Frage der Organisation. Am Ende gab es für jeden Kunden eine handgeschriebene Postkarte.
Ich fühle mich wohl unter Gleichgesinnten und freue mich schon darauf, irgendwann einmal wieder in einem Team zu arbeiten. Ob ich in dieser Woche meinen Traumjob gefunden habe? Ich sag nur: heiß, ganz heiß.
Diese Woche muss ich mich gleich bei ganz vielen Menschen bedanken: bei Ali, Jubin, Kambis, Manuel und Stefan, Behnoud, bei Christian und Christians Frau, Sophie, Raphaela, Peter und nicht weniger bei allen anderen aus dem whatchado-Team! Fürs Wohnen bei Eva Maria, Christiane, bei Christianes Eltern und bei Bodo: DANKE!