WORKSHOP: "Wie du im Job gesunde Grenzen setzt und kommunizierst"

Job 18 – Texterin

Jannike Stoehr

Ballindamm, Hausnummer 9. Hamburg. Mit der Binnenalster im Rücken starre ich auf eine Glastür, hinter der sich eine seltsame Dunkelheit auftut. Die Tür geht auf, ein Mann kommt heraus. Ich erhasche einen Blick auf schwache Lichter, die sich auf Hüfthöhe zu befinden scheinen. Die Tür, die mich in die erste Liga der Marketing-Welt führen soll, fällt wieder zu. Ich klingele, der Türsummer antwortet. Ich trete ein und folge einem dunklen Gang rechtsherum in Richtung einer schwachen Lichtquelle.
„Willkommen bei Nordpol!“, begrüßt mich Kreativ-Direktor Ingmar Bartels in der Lobby der Boutique Agentur, einem Raum mit Loft-Charakter. Außer zwei Designer-Sofas, einem langen weißen Tresen, befindet sich nur noch ein Origami-Tiger in Lebensgröße vor der Fensterfront, hinter der Fußgänger vorbeilaufen. Aus dem Image Film von Asics. Auf dem Sofa sitzt ein Hipster und nickt mir zu. Ich folge Ingmar zum Fahrstuhl. Wir fahren in den vierten Stock, über den man auch alle anderen Stockwerke erreicht, wie ich auf dem Weg nach oben erfahre. Der Fahrstuhl dient damit nicht nur als Transportmittel, sondern auch als Begegnungsstätte. Raus aus dem Fahrstuhl, linksherum, vorbei an gläsernen Wänden, über eine Brücke aus Holzbalken, wieder linksherum. Wo ist der Tunnel, durch den man robben muss? Eine freischwebende Treppe führt uns wieder eine Etage tiefer. Lass mich nicht allein, Ingmar, denke ich. Hier finde ich nicht mehr raus.
 
Wir sind angekommen im kreativen Herzen der Agentur – dem Atelier. Schick, schick! Als ich mich an meinem Arbeitsplatz für diese Woche am Mac anmelde, kommt der Hipster aus der Lobby herein und setzt sich an den Schreibtisch neben mich. „Hi, ich bin Jakob“, stellt er sich vor. „Welchen Beruf testest du bei uns?“ Tja, also… Ich dachte den des Marketing-Menschen oder Marketers!? „Ich bin zum Beispiel Texter“ klärt Jakob mich auf. „Wir haben aber auch Grafikdesigner, Web-Entwickler, 3D-Designer und Berater. Aber die Ideen können bei uns von jedem kommen. Also mach einfach mit, Quereinsteiger sind bei uns immer gern gesehen.“ In diesem Sinne nimmt er mich direkt mit zum ersten Meeting dieser Woche, bei dem sich die Kreativen am Mitteltisch treffen und sich über die Ideen und die weitere Vorgehensweise austauschen. In dieser Woche laufen zwei wichtige Projekte. Für die Entwicklung eines Claims für Kunden A bleiben noch 30 Stunden Zeit, etwas mehr für die Fertigstellung einer ganzen Kampagne für Kunden B.
Ich finde meinen Platz in dieser Woche bei den Textern und werde nach Abschluss des Meetings von Ingmar direkt in meine erste Aufgabe geworfen – die Entwicklung eines Claims für Kunden A. Ein Claim ist ein Satz oder Teilsatz, der fest mit dem Markennamen verbunden ist und sogar Teil des Logos sein kann. Bevor es bei Nordpol+ in die Entwicklung solch eines Claims geht, wird zuerst einmal die Marke des Kunden analysiert. Dabei wird der Kern dessen herausgearbeitet, was die Marke ausmacht. Dass die Werbung authentisch ist, ist Anspruch im Hause Nordpol+. Nach dem Motto „jedes Wort ist ein Wort zu viel“ brüte ich an meinem Schreibtisch über schlüssigen Wortkombinationen. Die Wortkombination soll zu den Markenwerten passen und den potentiellen Kunden ein reelles Gefühl für die Produkte vermitteln. Ich hätte nie gedacht, wie schwierig das ist.
Zu meinen ersten fünfzehn Vorschlägen hole ich mir Feedback von Ingmar ab. Er erklärt mir charmant, dass keiner der fünfzehn Vorschläge etwas taugt, gibt mir aber mithilfe konkreter Beispiele ein besseres Gefühl für die Aufgabe. Runde zwei läuft dagegen schon etwas besser.
Kurz nach sieben am Abend verlasse ich die Agentur in Richtung St. Pauli Stadion. Wenn St. Pauli spielt, kann man auch schon einmal früher Feierabend machen. Fußball wird hier groß geschrieben und so lagen bereits am Nachmittag zwei Tickets auf meinem Tisch.
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Der nächste Tag beginnt für mich um 10 Uhr wieder mit der Ausarbeitung des Claims für Kunden A. Bislang war aus dem Team noch keine zündende Idee gekommen. St. Pauli hat auch nicht gewonnen. Meine Gedanken drehen sich um sich selbst. Gar nicht so einfach auf Knopfdruck Ideen zu generieren. Ich sitze stumm an meinem Tisch und denke. Visualisiere meine Ideen in PowerPoint unter dem Markenlogo. Jedes Wort klingt irgendwie komisch, wenn man es nur oft genug wiederholt. Nur welche Wörter und welche Kombination sind die Richtige für Kunden A? Um 17 Uhr telefonieren der Geschäftsführer, der Kreativ-Direktor und die Beraterin mit dem Kunden. Von meinen Ideen ist keine dabei, aber die Auswahl hat den Kunden noch nicht überzeugt. Wir erhalten weitere 24 Stunden zur Überarbeitung.
Mittwoch, 10.30 Uhr. Weiter geht es, ein Claim wartet darauf bis 17 Uhr das Licht der Welt zu erblicken. Der Mittwoch wird ein langer Tag werden. Donnerstag früh ist die Präsentation der Kampagne für Kunden B. Und die muss bis dahin perfekt sein. Was mich beeindruckt ist die Zusammenarbeit des ganzen Teams. Alle arbeiten parallel an verschiedenen Projekten. Springen gedanklich von A nach B, manchmal auch nach C und unterstützen dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Geistige Flexibilität ist hier Pflicht. Um 16.15 Uhr kommt das Team zusammen. Die Ideen liegen auf DinA4 Blättern auf dem Tisch und auf dem Boden darum herum. Ingmar geht jede Idee durch, sechs kommen in die engere Auswahl. Die anderen 57 Vorschläge landen im Papierkorb. Richtig überzeugt scheint er noch nicht zu sein. Ein Kollege kommt mit einem Kaffee zurück an den Tisch. „Was ist eigentlich mit X!? Hatten wir das schon einmal durchdacht?“ Junior Art Direktorin Karina greift den Vorschlag auf und wirft einen neuen Satz in den Raum. „Das ist es!“, Ingmar klatscht in die Hände. Es ist 16.50 Uhr, Beraterin Victoria tippt die Claims auf farbige Slides, verschickt sie an den Kunden, die Telefonkonferenz startet. Der Kunde sieht es wie Ingmar und geizt nicht mit entsprechendem Lob.
Der Rest des Teams macht sich an die Präsentation für Kunden B. Denn: Nach der Präse ist vor der Präse. Die letzte Version wird entsprechend spät verschickt. Die Stimmung ist gut. Auf Firmenkosten werden alle per Taxi nach Hause gebracht. Eine Pizza gab es auch. Ein kleiner Ausgleich für die Momente, in denen es länger dauert. Erst spät geht mir auf, woher die Leidenschaft für den Beruf kommt. Bei Nordpol wird mehr gemacht als Werbung. Hier identifiziert man sich mit den Kunden und den Produkten und möchte persönlich hinter den Ideen stehen können. Authentisch muss es sein und die Konzepte nicht nur gut, sondern exzellent. Wenn man das Image einer Marke mit prägen kann und seine Ideen irgendwann in den Medien sieht, das sei ein tolles Gefühl. Die Interpol Studios, von denen Nordpol+ den Teil der Kommunikation abdeckt, sind interdisziplinär angelegt und auch in Sachen Architektur, Film oder Kunst aktiv.
Ich für meinen Teil habe auf jeden Fall Blut geleckt. Mit Schreiben möchte ich mein Geld verdienen, soviel steht fest. Ob in der Kombination mit etwas anderem oder in welcher Form, das weiß ich noch nicht. Ich werde mir Gedanken dazu machen. Jetzt drücke ich erst einmal St. Pauli die Daumen für die restliche Saison und bedanke mich ganz herzlich bei Ingmar, Robin, Sebastian, Jakob, Amelie, Victoria, Simon, David, Karina, Max und allen anderen Nordpolern bzw. Interpolanern, bei Christoph für den Kontakt, sowie bei Anna und Thore für das Dach überm Kopf!

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