WORKSHOP: "Wie du im Job gesunde Grenzen setzt und kommunizierst"

Job 21 – Tanzlehrerin

Jannike Stoehr

In Wien, der Stadt des Walzers, teste ich in dieser Woche den Beruf der Tanzlehrerin. Ganz umsonst bekomme ich noch einen zweiten Job dazu: Fitnesstrainerin. Diese Woche wird also anstrengend. Ob ich tanzen kann? Nö. Was aber nicht heißt, dass ich es nicht gern tue. Am liebsten allerdings, wenn niemand zusieht und die Musik bis zum Anschlag aufgedreht ist. Meine Leidenschaft für heimliches Tanzen endete für mich übrigens schon einmal um halb eins nachts in der Notaufnahme.
Nach einem Kickbox-Training am Donnerstagabend fiel mir ein neues, mitreißendes Lied in die Hände. Mit Kopfhörern ausgestattet sprang und tanzte ich bei höchster Lautstärke durch meine Wohnung – bis ich ungünstig landete und der Schmerz in meinem Fuß einen Besuch beim Arzt empfahl. Der Ärztin in der Notaufnahme erzählte ich, der Unfall hätte sich beim Kickboxen zugetragen. Die Tanz-Geschichte war mir einfach zu peinlich. Was mir wiederum eine Schelte von meinem Kickbox-Trainer einbrachte. So würden die Vorurteile gegenüber seiner in Wirklichkeit harmlosen Sportart entstehen. Ich hatte Glück im Unglück und so zeigte das Röntgenbild lediglich eine kleine Knochenabsplitterung.

Besuch bei einer Zugbekanntschaft

Obwohl mir das Gefahrenpotential beim Tanzen also durchaus bewusst ist und mir sowohl Talent als auch eine gute Koordinationsfähigkeit für meine Gliedmaßen nicht vergönnt sind, darf dieser Beruf auf meiner Liste nicht fehlen. Ich liebe Musik, ich liebe Tanzen und ich wünschte, ich könnte es. Wie der Zufall es so wollte, traf ich im Dezember im Zug Tanzlehrerin Teresa Hartmann, die genau wie ich auf dem Weg nach Wien war. Anstelle von klassischem Tanz unterrichtet Teresa allerdings Hiphop und Jazz. Finde ich eh besser. Und jetzt, einige Monate später wird aus meiner Zugbekanntschaft tatsächlich ein richtiges Praktikum. Und gratis bekomme ich gleich noch ein Praktikum als Fitnesstrainerin mit dazu. Das macht Teresa nämlich, wenn sie keinen Tanzunterricht gibt.
Ein paar Tage bevor es losgeht, schickt Teresa mir den Zeitplan für diese Woche zu. Beim Öffnen des Plans zerplatzen nicht nur meine Vorstellungen von den Arbeitszeiten einer Tanzlehrerin, sondern auch meine Freizeitpläne für die Woche. Teresa arbeitet als selbstständige Tanz- und Fitnesstrainerin für sechs verschiedene Arbeitgeber an sechs verschiedenen Orten in und um Wien ungefähr vierzig Stunden in der Woche. Hinzu kommen Leerlauf- und Fahrzeiten. So geht es beispielsweise am Dienstag von 7.30 Uhr mit Unterbrechungen bis 20.30 Uhr. Die anderen Tage sehen ähnlich aus. Freitagmorgen und Montagabend sind frei. Diese Zeit nutzt Teresa, um sich selbst fit zu halten oder die Tanzstunden vorzubereiten. Meine Verabredungen für diese Woche sage ich weitestgehend ab. Wie macht sie das nur mit ihren Freunden?

Mein Fitnessprogramm ist diese Woche gesichert

Los geht es für mich im Frauen Fitnessstudio Mrs. Sporty. An Fitnessgeräten aus dem Reha-Bereich absolvieren hier Frauen jeglichen Alters dreißig Minuten ein Zirkeltraining. Das Franchise-Konzept von einem Team um Steffi Graf richtet sich an Frauen, die sich sonst nicht bewegen würden. Um auch einmal Übungen anleiten zu können, teste ich den Zirkel und die Zwischenübungen. An drei Vormittagen sind wir im Fitnessstudio und zeigen den Frauen abwechselnd Übungen wie Superman, Rudern und Kniebeugen auf dem Step. Die Übungen wechseln wöchentlich. Ich ahne, dass diese Woche mich an meine körperlichen Grenzen bringen wird.
Am den Nachmittagen geht es entweder in die Turnhallen verschiedener Schulen oder in die Räumlichkeiten zweier Tanzstudios. Teresa gibt pro Woche siebzehn Stunden Kindertanz-Unterricht und fünf Stunden für Erwachsene. Die Choreografien entwickelt sie zu einem Großteil selbst. Zwischen zwanzig und dreißig verschiedene Choreografien unterrichtet sie damit parallel. Ich habe bereits Mühe mir das Aufwärmprogramm beim Kindertanzen zu merken. Zu „Wrapped up“ von Olly Murs und „Riptide“ von Vance Joy hüpfen und dehnen wir uns. Teresa erzählt passend zu den Bewegungen eine Geschichte. Zur Musik paddeln wir mit unseren Füßen im Wasser, reiben uns mit Sonnencreme die Beine ein und imitieren kleine und große Seesterne. Die Kinder lieben es.
Kiddie Dance

Wie sich ein Hase im Hasen-Café bewegt

Mit den Kleinen spielen wir Osterspiele. Wie bewegt sich ein Hase oder ein Küken, wie würden wir uns bewegen, wenn unser Körper ein Pinsel wäre? Wir richten ein Hasencafé ein (die Karroteria), eine Eiermalerei, eine Nesterbauwerkstatt und das Hasenfitnessstudio. Zur Musik bewegen sich die Kinder an den Orten ihrer Wahl passend zum jeweiligen Thema. Ich wusste gar nicht, wie cool es aussehen kann, Eier anzumalen. Großartig, was alles bei dieser Übung herauskommt und wie frei sich die Kiddies alle bewegen können.
Je älter die Kinder werden, desto schwieriger wird das übrigens. „Das sieht peinlich aus“, „ich kann das nicht“, „mir fällt nichts ein“, hört man mit zunehmendem Alter immer öfter. „Umso wichtiger ist es mir, den Kindern einen Raum zu geben, in dem sie sich ausprobieren können und in dem sie nicht ausgelacht werden. Alle Bewegungen, die aus ihnen heraus kommen, sind natürlich und sehen schön aus“, erklärt mir Teresa, bevor es für uns auf den „Laufsteg“ geht. Auf beiden Hallenseiten sitzen wir auf dem Fußboden und jubeln demjenigen Kind zu, das gerade auf dem imaginären Laufsteg in der Mitte geht und am Ende eine kleine Tanzeinlage oder Pose vorführt. Als ich an der Reihe bin, ist auch mein erster Gedanke „boah, wie peinlich“. Aber als Praktikantin der Tanzlehrerin muss ich natürlich mit gutem Beispiel voran gehen, auch wenn ich lieber sitzen geblieben wäre.
Bei der anschließenden Partnerübung, bei der wir abwechselnd vier Schritte gehen und vier Bewegungen zum Rhythmus der Musik machen, ernte ich anerkennende Blicke einer Sechsjährigen und ein „Du kannst das ja voll gut!“. Ihr Lob motiviert mich. Vielleicht wird das ja doch noch etwas in dieser Woche.

Der Muskelkater hält mich wach

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wache ich vor lauter Schmerzen jedes Mal auf, wenn ich mich im Bett umdrehe. Eindeutig dem Fitnesskurs am Dienstagabend zu verdanken. „Du musst weiter trainieren, dann wird dein Muskelkater wieder weniger“, rät mir Teresa, als ich mein Gesicht beim Jacke Ausziehen vor Schmerz verziehe. Na super. Teresa ist im übrigen fest davon überzeugt, dass jeder Tanzen erlernen kann. „Das ist alles eine Sache des Trainings. Die Synapsen in deinem Gehirn müssen sich erst einmal bilden. Das wird schon, Jannike“, motiviert sie mich immer wieder. Wenn sie Musik hört, denkt sie automatisch in Bewegungen. Ganze Choreografien kann sie im Kopf erstellen. Ich bin beeindruckt. Ich kann mir vieles merken, aber Bewegungsabläufe gehören nicht dazu.
Da ich Teresa und mich vor ihren Schülern nicht blamieren will, ziehe ich die Woche voll durch, auch wenn die Erwachsenenstunden noch einmal auf einem ganz anderen Niveau stattfinden. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen überwinde ich meine Schmerzen vom Donnerstag. Mein Muskelkater wird tatsächlich weniger und mein Gefühl für Bewegungen besser. Am Ende der Woche erahne ich, wie es sich anfühlen könnte, fit zu sein. Ziemlich gut nämlich. Ein richtiges Gefühl für den Job bekomme ich nicht. Dafür kann ich es einfach zu wenig. Deswegen scheidet Tanzen als Beruf für mich aus, aber wird dafür auf meiner Hobby-Liste aufgenommen. Ich bin nämlich jetzt auch überzeugt, Tanzen erlernen zu können. Und sollte ich nach Wien ziehen, wüsste ich auch wo.
Vielen Dank an Teresa, die beste Tanzlehrerin, die ich kenne und an Susanne und Ingo!

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