„Du siehst aber erholt aus!“, höre ich zur Begrüßung als ich zuhause mit Sack und Pack wieder hineinstolpere. Das habe ich schon seit Monaten nicht mehr gehört! Ob das an meinem letzten Job liegt? Mal überlegen.
Den Job als Stadtführerin und Reiseleiterin teste ich in Münster. Glück für mich, denn Münster wurde 2004 zur lebenswertesten Stadt der Welt (!) bis 750.000 Einwohner gewählt. Das verspricht doch einiges.
Am Samstag starte ich nach einem kurzen Briefing in meinen dritten Job. Ein kleiner Bus bringt Reiseleiter Dr. Andreas Klute, eine neun-Mann starke Reisegruppe und mich nach Münster, wo der Tag mit einer Stadtführung beginnt. Und wieder Glück für mich, mein Reiseleiter hat Humor und kann Informationen anschaulich verpacken. Wir kommen am Wilsberg Antiquariat vorbei, an der Kneipe Pinkus Müller hin zur Lambertikirche. Kennt ihr die Lambertikirche in Münster? Ich lerne heute, was es mit den Körben auf sich hat, die noch heute am Kirchturm befestigt zu finden sind. Nach stundenlanger Folter, bei der dem Wiedertäufer-König Jan van Leiden und seinen Komplizen im 16. Jahrhundert mit heißen Zangen das Fleisch von den Knochen gerissen wurde, wurden die sterblichen Überreste in genau diesen Körben zur Schau gestellt. Ganz schön gruselig.
Weitere Informationen folgen, danach gibt es Zeit zur freien Verfügung. Für mich gibt es einen Cappuccino bei Wolle und einen kurzen Überblick über das Who ist Who von Münster. Schick schick!
Weiter geht´s mit dem Bus zur Geburtsstätte von Annette von Droste-Hülshoff. Warum weit reisen, wenn man so schöne Orte in der Heimat hat?
Der Tag klingt im Biergarten einer Brauerei bei Schnitzel und westfälischem Bier aus. Das Brauhaus liegt mitten in münsterländischen Maisfeldern und entpuppt sich als wunderschönes Fleckchen Erde. Ich werde sentimental. Nie im Leben wäre ich doch ohne mein Projekt hier her gekommen! Wie soll ich nur all die schönen Orte und netten Menschen auf der Welt alle kennenlernen, die es zu geben scheint!? – Leute, lasst uns mehr rausgehen und die Welt entdecken!!!
Sonntag ist auch ein Arbeitstag. Unser wichtigstes Transport-Mittel heute ist das Fahrrad, denn eine Fahrrad-Brauerei-Tour wurde gebucht. Wir fahren durch die Stadt, durch den Wald, über Feldwege und Landstraße. Zwischendurch Picknick im Grünen. Weiter geht es, die Umgebung wird hügelig, für mich Ostfriesin gar bergig. Ich kann nicht mehr. Meine Beine tun weh. Warum ist keiner außer mir – als mit Abstand die Jüngste – aus der Puste?
Und dann kommt er, der gefürchtete letzte Anstieg vor der Pause. Ich falle mehr und mehr zurück und sehe mich schon den Rest der Strecke schieben. Wie peinlich! Die Reisegruppe muss auf die Praktikantin warten. Ich muss wieder Sport machen. Dringend. Und das Praktikum an der Polizei-Akademie sollte ich besser verschieben. So kann ich mich da nicht blicken lassen. „Hey, ich würde gern bei eurem Sport-Unterricht mitmachen“, dann aber nach einer Runde in der Halle auf der Bank sitzen. Ich sehe es schon kommen.
Weitere Sehenswürdigkeiten und Abendessen stehen auf dem Programm, dann ist auch der Sonntag vorbei. Ich bin mal wieder geschafft. Aber dieses Mal „schön“ geschafft. Frische Luft und Bewegung haben noch nie geschadet. Um 22 Uhr ist es bei mir zappenduster, 10 Stunden Schlaf folgen und wirken Wunder.
Was es alles benötigt, um einen Tag mit einer Reisegruppe scheinbar so unkompliziert ablaufen zu lassen und minutengenau seinen Plan einhalten zu können, erfahre ich am Montag und Dienstag. Ebenso alles zum Thema Marketing. Und Nachbereitung. Ganz schön viel Büro! Ganz schön viel zu organisieren! Als Einzelperson kaum machbar. Und wovon lebt man im Winter?
Andreas Klute würde überall Reiseleiter sein. Die Sache an sich liegt ihm am Herzen. Mit Menschen zu tun zu haben und mit ihnen einen schönen Tag und schöne Erlebnisse teilen zu können. „Am Ende eines Tages ist man nicht mehr mit Fremden unterwegs, sondern mit netten Menschen, mit denen man einen gemeinsamen Tag verbindet“, verrät mir Andreas Klute. Seine Fähigkeit mit den Menschen in Kontakt zu kommen und sich voll und ganz auf ihre Bedürfnisse einzustellen, beeindruckt mich.
Und der Beruf? Der ist toll. Aber die Unsicherheit schreckt mich ein wenig ab. Bis man davon leben kann, bedeutet es viel Arbeit, die unter Umständen nicht einmal allein ableistbar ist.
Und ich? Ich werde morgen mit dem Laufen anfangen. Das geht überall, jetzt wo unterwegs mein Zuhause geworden ist. Oder übermorgen.
Vielen Dank an Andreas, Christoph und Tineke!
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