Diese Woche verbringe ich Nordlicht tatsächlich in München. Als besonders beliebt gilt Bayern bei uns in der Gegend nicht, aber nach wie vor möchte ich mir selbst ein Bild machen und bemühe mich zuvor um Neutralität. So packe ich also meinen Koffer für eine Woche in München bei einer Personalberatung – im Volksmund auch als Headhunter bekannt.
Meine Arbeitswoche beginnt klassisch am Montag. Drei Mann stark ist die Beratung, die mir in dieser Woche einen Einblick in die Arbeit leidenschaftlicher Personalberater geben wird. Ich komme in ein schickes Büro, hohe Räume, stuckbesetzte Decken, Parkettfußboden. Der Assistent der Geschäftsführerin und Researcher Herr Lukas empfängt mich herzlich.
Geheadhuntet wird in erster Linie nach Führungskräften der Modebranche. Ein Gast-Personalberater beschäftigt sich unterdessen mit der Besetzung von Arzt-Stellen im anrainenden Ausland. Aus dem Personalbereich kommend, fühle ich mich nicht ganz so fremd.
Geschäftsführerin Natascha beeindruckt mich. Sie wirkt auf mich, wie eine, die weiß was sie will. Eine, die ihren Job voller Leidenschaft lebt, die Dinge rasant erfasst und einordnet. Sie liebt ihren Beruf und will ihn mir beziehungsweise den Personalbereich wieder näher bringen. Ein Unternehmen, außerhalb der klassischen Konzernstruktur und vielleicht auch außerhalb der Automobilbranche, könnte aus ihrer Sicht schon die Lösung für mich sein. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einer jungen Frau aus meinem ersten Job. Sie sagte mir, dass es manchmal nicht der Job ist, der nicht mehr passt, sondern das Umfeld. Und dass nicht immer ein rigoroser Neustart erforderlich sei, um zufrieden zu sein.
Ich lerne das Herz der Beratung kennen. Die Datenbank mit den Kontakten in die Modewelt. Im Laufe der Woche suche ich potentielle Kandidaten für bestimmte Stellen heraus, pflege neue Kontakte ein und aktualisiere Daten mithilfe von News aus der Textilwirtschaft sowie eigenen Angaben der Kandidaten auf Xing. Aber wie kommt man an neue Kontakte?
Das lerne ich an Tag zwei. Es geht um eine/n potentielle/n Arzt/Ärztin für eine Privatklinik in der Schweiz. Neben den vorhandenen Kontakten werden in diesem Fall weitere benötigt. Auf der einen Seite werden vorhandene Kontakte um Empfehlungen gebeten. Das funktioniert in der Regel gut. Auf der anderen Seite wartet meine heutige Aufgabe: Internetrecherche und telefonieren. Zu aller erst benötige ich ein Pseudonym. Warum? Stellt die Telefonzentrale eines Unternehmens einen Headhunter zu seinen Mitarbeitern durch? Nein. Aufgrund meines leicht norddeutschen Akzents werde ich also zu Steffi Jansen. Muss ja passen. Konkret gesucht wird ein Gynäkologe. Da ich mich mit Schwangerschaften nicht im Detail auskenne und Gegenfragen womöglich nicht beantworten könnte, muss jetzt noch eine Geschichte her. Steffi Jansen bekommt also eine versehentlich schwanger gewordene Schwester, die sich nicht traut den ersten Schritt für das Unvermeidliche zu tun. Steffi übernimmt also. Potentielle Ärzte/Ärztinnen sind schnell gefunden. Telefonnummern auch. Ich bin nervös. Nicht die Wahrheit zu sagen, liegt mir gar nicht. Es klingelt, eine Dame in der Telefonzentrale eines Krankenhauses nimmt ab. „Guten Tag, mein Name ist Stefanie Jansen, ist Frau Dr. Soundso zu sprechen?“ – „Worum geht es denn?“ Ich erzähle nicht ganz flüssig meine Geschichte und lande aber schließlich im Sekretariat. Die Frau Dr. ist allerdings leider nicht da. Falls ich sie erreicht hätte, wäre der Plan folgender gewesen: Ich hätte ihr ebenfalls von Steffis Schwester erzählt und um einen Termin für ein persönliches Vorab-Telefonat mit ihr und der Schwester gebeten, sowie einer persönlichen Durchwahl. Zum besagten Zeitpunkt hätte dann ein Kollege unter korrektem Namen angerufen und sie gefragt, ob Wechselinteresse besteht. So läuft´s! Eine direkte Ansprache von Mitarbeitern am Arbeitsplatz durch Headhunter ist übrigens zulässig. Im Laufe der Woche erfahre ich weitere „Lebensgeschichten“ meiner Kollegen und muss mich des öfteren zusammenreißen, nicht lauthals loszuprusten.
Am Mittwoch darf ich bei einem Vorstellungsgespräch mit einer Designerin dabei sein. Sie hat in der Vergangenheit bereits mit Donatella Versace zusammengearbeitet. Alter Schwede! Sie zeigt uns Entwürfe und ihr Lookbook. Mega! Diese Frau kann was! Ich bin begeistert.
Den Rest der Woche unterstütze ich das Team, indem ich die Datenbank pflege, Lebensläufe ablege und mich um administrative Dinge kümmere.
Am Ende der Woche steht für mich fest: Ganz aufgeben möchte ich den Personalbereich für mich noch nicht. Ich werde mich um ein weiteres Praktikum bemühen, dann aber in einem Unternehmen, das ihr eigenes Personal verwaltet. Die Zeit in der Personalberatung in München war spannend, aber eine langfristige Lösung ist sie nicht für mich. Das Arbeiten mit Pseudonymen ist mir doch ein wenig fremd und der Telefon-Anteil zu hoch. Nebenbei bemerkt: München ist toll, ich komme wieder! Wer einmal Angebote von einem Headhunter bekommen will: Legt euch ein Xing und/oder ein LinkedIn Profil an und aktualisiert es hin und wieder.
Herzlichen Dank an Natascha, Stefanie, Hrn. Lukas und Hrn. Stein, sowie Couchsurfer Mehmet!