ONLINEKURS: "Rein in den richtigen Job" startet in die nächste Runde!

Job 7 – Biobäuerin

Jannike Stoehr

„Du willst doch nicht ernsthaft Bäuerin werden, oder?“, fragt mich eine Freundin am Telefon einige Tage bevor ich in Job Nummer 7 starte. Nein, irgendwie kann ich mir das tatsächlich nicht vorstellen. Warum teste ich also den Beruf der Bio-Bäuerin!? Biomacht aus meiner Sicht Sinn. Mit Bio verbinde ich unter anderem Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung. Den Sinn in der täglichen Arbeit sehen zu können, finde ich wichtig. Deswegen versuche ich es in dieser Woche einmal andersherum mit der Frage: Welche Aspekte der Lebensgestaltung sind für mich wichtig? Möglicherweise kann mich ja die Sinnfrage zu meinem Traumjob führen.
Ich lande in dieser Woche in einem der vielen Zentren der Bio-Branche: dem Bio-Bauernhof. Ich bin gespannt, was ich alles über die Branche lernen kann, ob ein Beruf für mich dabei ist. Ich will erfahren: Wie ist das Leben als Bauer beziehungsweise Bäuerin.
In alten Klamotten, ungeschminkt und mit Gummistiefeln im Gepäck fahre ich am Montag mit dem Fahrrad zum 10 km von meinem Elternhaus entfernten Bio-Bauernhof der Familie Kehl in Emden. Kaum angekommen, geht es oben auf dem Kartoffelroder ´raus auf das Feld. Nach einigen hundert Metern streikt die Maschine und es fängt auch noch an zu regnen. Die Kartoffelernte wird auf später verschoben. Dann eben nicht. Stattdessen werde ich zum Zwiebelputzen eingesetzt. Dazu dreht man der erdigen Zwiebel mit zwei, drei Handgriffen die äußere Schale ab. Eine Sehnenscheidenentzündung ist vorprogrammiert, denke ich und entferne eine weitere Schale von einer Zwiebel. Meine Handgelenke schmerzen.
Um viertel vor 10 Uhr gibt es eine Frühstückspause. Bei der 91-jährigen „Hof-Oma“ gibt es Tee und belegte Brötchen. Wir sitzen zu fünft am Küchentisch – Oma und ich mitgezählt. „Stell´ mal Gläser auf den Tisch“, bittet Oma eine meiner heutigen Kolleginnen. Kaum, dass ich mich versehe, steht auch schon ein fünfzigprozentiger Kräuterschnaps vor meinem Teller. Auf die erfolgreiche Kartoffelernte vom Wochenende wird angestoßen. Na das kann ja was werden. Wie sich herausstellt, gibt es tatsächlich nur zu besonderen Anlässen einen Schnaps am Morgen, beispielsweise wenn eine der 8 Kühe ein Kälbchen geboren hat. Oder eben wenn die Kartoffelernte erfolgreich war.
Nach einer weiteren Runde Zwiebelputzen und Kartoffelsortieren geht es dann doch noch auf das Feld zur Ernte. Die Sonne scheint und der Boden ist weitestgehend trocken, sodass die Kartoffeln nicht allzu dreckig aus der Erde kommen sollten. Bauernhof-Angestellter Joke sitzt auf dem Trecker, der Rest steht oben auf dem Kartoffelroder. Jetzt geht´s los, die Maschine läuft! Die ersten Kartoffel purzeln auf das Fließband, gefolgt von einigen Kluten (ndt.: Erdklumpen). Vor einigen Jahrzehnten war an diesem Ort noch Wattenmeer, nach und nach wurde aus dem Gebiet allerdings Land gewonnen – Marschland mit einem sehr lehmigen Boden. Das merkt man! Meine Aufgabe ist es nun die Erdklumpen auszusortieren und über einen Schacht wieder dem Boden zukommen zu lassen. Je schneller Joke fährt, desto schneller laufen Kartoffeln und Kluten über das Band. Wir sortieren in Windeseile, kommen aber selbst im Schritttempo kaum hinterher. Die Aufgabe erinnert mich an das Handyspiel „wo ist Ozil“, bei dem man einen grinsenden Smiley zwischen lauter Smiley-Grimassen finden muss, die Zeit läuft dabei rückwärts. Auf dem Kartoffelroder komme ich mir vor wie in einem „Real-Life-Handyspiel “, bei dem es nicht einen grinsenden Smiley gibt, sondern zig! In meinem Kopf läuft Tetris-Musik. Endlich, die Bahn ist geschafft. Der Trecker wendet und steuert auf die nächste Bahn zu. 3 Stunden Kartoffelernte folgen.
Mein erster Gang zuhause führt mich unter die Dusche, danach zum Kühlschrank und schlussendlich ins Bett. Ich bin k.o.! Alles, was ich in den letzten Wochen an Anstrengung erlebt habe, wurde heute übertroffen. Dass mich körperlich harte Arbeit erwarten würde, wusste ich. Wie sich harte Arbeit anfühlen würde, wusste ich nicht. Der zweite Tag beginnt um halb sieben auf dem Wochenmarkt, Bauer Karl-Heinz Kehl ist schon seit 4 Uhr auf den Beinen und hat die Ware gepackt und den Markt-Wagen beladen. Ich helfe den Wochenmarkt-Stand aufzubauen, wieder zurück auf dem Hof das Getreide in die Silos zu verladen. Weiter geht es mit der Kartoffelernte, das Wetter muss ausgenutzt werden. Um 19 Uhr ist Feierabend für mich, für die anderen ist der Tag noch nicht vorbei. „Während der Kartoffelernte herrscht bei uns Ausnahmezustand“, erzählt mir Hofladenbetreiberin und Bauern-Gattin Elke.
Den Hofladen lerne ich innerhalb meiner Hof-Woche auch noch kennen. Mit zwei Aushilfen packe ich individuelle Bio-Kisten, die an die Kunden ausgeliefert werden. Für uns zuhause packe ich auch eine Kiste. Ich probiere, ob die Bio-Ware tatsächlich so viel besser schmeckt, wie gesagt wird. Und, ja! Die Tomaten sind ein Traum und die Birnen auch. Selten habe ich so leckeres Obst und Gemüse gegessen. Großartig, ich werde Stammkundin. Die hohen Preise kann ich mir mit meinem jetzigen Hintergrundwissen erklären. Sie sind durch den hohen Arbeitsaufwand und die Qualität gerechtfertigt.
Am Freitag darf ich auf dem Wochenmarkt verkaufen. Tomaten, Radieschen, Kartoffeln, Salate, geputzte Zwiebeln und alles, was das Gemüse-Herz sich wünschen kann, wird angeboten. Beim Zusammenstellen eines Suppengemüses wandert versehentlich eine Steckrübe als Sellerie in die Tüte. Die Kundin beäugt mich skeptisch. Tut mir leid, für mich sah das gleich aus!
Eine Bauernweisheit lerne ich in dieser Woche auch noch: Wie kann man auf dem Land die Windrichtung bei schlechtem Wetter erkennen? Die Antwort ist so klar wie verblüffend: Indem man schaut, in welche Richtung die Hintern der Kühe zeigen. Sie stellen sich nämlich immer mit ihrem Hinterteil in den Wind. Ich werde darauf achten!
Am Ende meiner Bauernhof-Woche steht für mich fest: Hut ab vor allen Bauern, ich könnte das nicht! Ich kann Bauer Karl-Heinz nur beipflichten, wenn er seinen Beruf als arbeitsintensiv (6,5 Tage-Woche mit guten 80 bis 90 Stunden Arbeit), vielseitig und belebend beschreibt. Man ist zwar als Bauer sein eigener Herr, aber Wochenende und Feierabende sind doch auch was schönes. Bio-Bäuerin als Beruf scheidet für mich damit aus.

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